Rosenkranzgebet und seine Entwicklung
 
Liebgewonnenes Herzensgebet

Rosenkranzgebet und seine Entwicklung

Monsignore Thomas Schmid zum Rosenkranzgebet
und seiner Entwicklung

Der Monat Oktober ist in der Kirche auch als der Rosenkranzmonat bekannt. In ihm rückt das Rosenkranzgebet in den Fokus. Über diese alte Tradition sprach unsere Zeitung mit Monsignore Thomas Schmid, der unter anderem Zentralpräses der Marianischen Männer-Congregation (MMC) Regensburg ist.

Herr Zentralpräses, am 7. Oktober feiert die Kirche das Rosenkranzfest. Überhaupt wird der ganze Oktober als Rosenkranzmonat bezeichnet. Welchen Hintergrund hat das?

Am 7. Oktober 1571 kam es im östlichen Mittelmeer vor Griechenland zur Seeschlacht von Lepanto. Eine überwältigend wirkende Flotte des Osmanischen Reiches war immer mehr in den Mittelmeerraum vorgerückt und eroberte schließlich die venezianische Insel Zypern. Daraufhin schlossen sich vor allem die Republik Venedig und Spanien zu einer „Heilige Liga“ unter Don Juan de Austria zusammen, um in der Meerenge von Lepanto die islamischen Eroberer zurückzudrängen und die „Angreifer“ zu besiegen. Es war ein äußerst mutiger Entschluss der Christen, gegen die Türken vorzugehen. Und es sah zeitweise auch nicht so aus als ob die „Heilige Liga“ siegen könnte. Umso überraschender war es schließlich, als letztendlich die Gegner besiegt werden konnten. Zum Dank für den Sieg gegen die Muslime schrieb Papst Pius V. die Feier des Rosenkranzfestes für besondere Kirchen vor. Von 1716 an wurde das Fest allgemeinkirchlich verpflichtend am ersten Oktobersonntag eingeführt. Papst Pius X. legte das Rosenkranzfest dann schließlich auf den Jahrtag des Sieges von Lepanto, den 7. Oktober, fest.

Wie ist das Rosenkranzgebet eigentlich entstanden?

Die geschichtlichen Ursprünge des späteren Rosenkranzgebetes liegen schon in den Anfängen unserer Kirche. Das Pauluswort aus dem Thessalonicherbrief „Betet ohne Unterlass!“ war nicht nur ein Auftrag an christusverbundene Menschen, sondern es beschreibt auch eine tiefe Sehnsucht in den Herzen der Menschen, die an einen lebendigen Gott glauben. Innige und dauerhafte Rückbindung an Gott und die Ganzhingabe an die Liebe des Dreieinen wollte sich in der Zwiesprache mit ihm, im immerwährenden Gebet ausdrücken. Die Wüstenväter zogen sich in die Einsamkeit zurück, um sich dort ungestört und uneingeschränkt im Gebet Gott geben zu können. Von einem dieser Eremiten, Paulus von Theben (4. Jhd. n. Chr.), wird erzählt, dass er täglich 300 „Vater unser“ betete. Er zählte die Gebete mit Hilfe kleiner Steine, die er beim Beginn des Gebetes in den frühen Morgenstunden in eine Gewandtasche füllte. Immer wenn er dann im Lauf des Tages ein „Vater unser“ gebetet hatte nahm er ein Steinchen heraus und ließ es fallen. Damit ist wohl auch die erste Zählhilfe beim „immerwährenden Gebet“ belegt. 600 Jahre später wird aus dem Steinsäckchen im Gewand eine Zählschnur mit 150 Steinchen, Holzstückchen oder Perlen, eine Kette zum Umhängen, die man „Pater noster“ nennt. Im ausgehenden 13. Jahrhundert ist dieser „Pater noster“ als Gebetsschnur in allen Schichten der christlichen Welt bekannt. Waren es bei den Wüstenvätern noch 300 „Vater unser“ täglich, so sind es um das Jahr 1000 noch 150 „Pater noster“, die über den Tag verteilt gebetet werden. Die veränderte Zahl kommt aus der Entwicklung des kirchlichen Stundengebetes. Dieses Gebet musste dem Lebensstil und den Pflichten der klösterlichen Ordnung sowie dem jeweiligen Bildungsstand der Mönche angepasst werden. So beteten die gebildeten Patres, die durch ihr Studium des Lateinischen kundig waren, nicht mehr „Pater noster“, sondern stattdessen die 150 Psalmen (Psalter). Die Klosterbrüder aber, die ihr Gebet während der Arbeit verrichten mussten und nicht lateinisch konnten, blieben beim vertrauten Vaterunser-Gebet, allerdings beteten sie jetzt, der Zahl der Psalmen entsprechend, „nur“ noch 150. Diese Zahl hielt sich bis ins 14./15. Jahrhundert. Dann erst wurde, durch Synoden angeregt beziehungsweise vorgeschrieben, diese Gebetsform aus den Klöstern heraus ins gläubige Volk getragen. Wieder geschah eine Anpassung des „immerwährenden Gebetes“ an die Lebenssituation der Beter: Aus 150 „Vater unser“ wurden 50 „Ave Maria“, diese wurden durch das „Vater unser“ und das „Ehre sei dem Vater“ in Zehner-Gesätzchen unterteilt und durch Betrachtungsgeheimnisse zum Leben Jesu christusbezogen ausgerichtet. Die bis heute bekannte Form des Rosenkranzes in Wortlaut und Zusammensetzung wurden 1568/69 festgelegt; der Rosenkranz wurde von da an wachsend zum Volksgebet der katholischen Christenheit. Im Hochmittelalter gab es für Frauen den weltlichen Brauch, als Festschmuck an besonderen Tagen einen Kranz frischer Blüten auf dem Haupt zu tragen. Meistens bekamen sie diesen Kranz von Verehrern als Zeichen der Zuneigung und Liebe geschenkt. Marienverehrer übertrugen diesen Brauch auf Maria und schmückten ihr Bild mit echten Rosen. Im 13. Jahrhundert wird der Kranz von Rosen durch einen „geistlichen Rosenkranz“ ergänzt beziehungsweise ersetzt. Vor dem Marienbild wurden als Geschenk an die Gottesmutter 50 „Ave Maria“ gebetet. Diesen „Gebetskranz“ bezeichnete man aber ebenfalls und nach wie vor als „Rosenkranz“. Später wurde der Name für das Gebet auch auf die Gebetshilfe, die Zählschnur, übertragen.

Auch der heilige Papst Johannes Paul II. hat ja Anteil an der Entwicklung des Rosenkranzgebetes.

Im Apostolischen Schreiben von Johannes Paul II. zum Rosenkranzjahr 2002 kann man lesen, was der inzwischen heiliggesprochene Papst selbst lebte: „Mit dem Rosenkranz geht das christliche Volk in die Schule Mariens, um sich in die Betrachtung der Schönheit des Antlitzes Christi und in die Erfahrung der Tiefe seiner Liebe einführen zu lassen. Wir betrachten beim Rosenkranz mit Maria das Antlitz Christi.“ So ist es diesen Gedanken folgend nur konsequent, dass Johannes Paul II. den freudenreichen, den schmerzhaften und den glorreichen Geheimnissen neue Betrachtungsimpulse hinzugefügt hat. Er hat der gesamten Kirche den „lichtreichen Rosenkranz“ geschenkt, der die Taufe Jesu, die Hochzeit zu Kana, die Verkündigung des Reiches Gottes, die Verklärung und das Geschenk der Eucharistie zur Meditation geben will.

Der Rosenkranz ist das am weitesten verbreitete katholische Volksgebet. Wie ist seine Beliebtheit zu erklären?

Papst Paul VI. schreibt über den Rosenkranz: „Dieses Gebet ist ernst und flehend im ,Vater unser‘, poetisch und frohmachend im ruhigen Fluss der ,Ave Maria‘, beschaulich in der aufmerksamen Betrachtung der Geheimnisse, anbetend im ,Gloria Patri‘.“Das Rosenkranzgebet bietet angemessen Zeit und Atmosphäre, Schritt für Schritt, Ave für Ave sich mit Freude und Leid immer wieder in die Liebe Gottes hineinzubewegen. Im wiegenden Rhythmus dieses Gebetes werden Menschen unbewusst tief an ihre Gotteskindschaft erinnert. Die tiefe menschliche Sehnsucht nach Geborgenheit erahnt im ständigen Wiederholen der Worte immer mehr die Lebendigkeit Gottes. Das rhythmische Gebet des Rosenkranzes ist ein Hineingehen in die Gegenwart Gottes an der Hand Mariens. Aus dem Empfinden und der Erfahrung des gläubigen Gottesvolkes entstanden, ist das „Gegrüßet seist du Maria“ viel mehr ein liebgewonnenes Herzensgebet für alle Menschen, als ein wissenschaftlich durchdrungenes Kopfgebet, das nur Eliten zu beten und zu verstehen vermögen. Es ist eine Gebet für Aktive und Passive, für Gesunde und Kranke, für Starke und Schwache. Das Rosenkranzgebet ist „einfach“ und doch so tief, es gibt Rhythmus, wenn das Leben aus dem Tritt gekommen ist, es gibt einen neuen Pulsschlag, wo Lebendigkeit schwindet oder fehlt. In der Hilflosigkeit oder wenn man zum Nichts-tun-Können verurteilt ist, ist das eindringliche Gebet und das dahingleiten der Perlen durch die Finger eine Art gläubigen „Handelns“. Der Rosenkranz ist für die einen Liebeserklärung an die himmlische Mutter und ihren göttlichen Sohn, für den anderen eine Kette, an der das Leben nie in Abgründe stürzen kann. Wieder andere erleben den Rosenkranz als Schlüssel zum Herzen, zum eigenen, zu anderen und zum Herzen Gottes. Schließlich ist er ein Zeichen der untrennbaren Verbundenheit mit der besten Wegbegleiterin zu Gott, Maria.

(Interview: Stefan Mohr)

Übernommen aus der Katholischen SonntagsZeitung – Regensburger Bistumsblatt, Nr. 40, 3./4. Okt. 2015

 

 

 

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(Foto: Johann Faltermeier)

Die große, von der Decke hängende Rosenkranzmadona
in der Expositurkirche Bubach am Forst (erstmals erwähnt 1761)